Dirigentin Carina Wachter macht ihre Prüfung – eine Frau in einer Männerdomäne
Eglofs (swe) – Wenn am Samstag, 1. Juli, in der Turn- und Festhalle Eglofs um 20 Uhr musikalische Töne erklingen, dann ist es weit mehr als „nur“ ein Konzert. Carina Wachter, seit drei Jahren Dirigentin der Musikkapelle Eglofs, beendet dann mit einem Examenskonzert ihr Bachelor-Studium an der Universität Augsburg. Die 28-Jährige aus Bad Wörishofen, die zunächst als Steuerfachangestellte arbeitete, studierte Horn und Blasorchesterleitung – und will nach einer hoffentlich erfolgreichen Prüfung auch noch einen Master draufsetzen.
Knapp 60 Musiker stark ist die Musikkapelle Eglofs. Sie musiziert nach dem Takt von Carina Wachter. Die 28-Jährige befindet sich derzeit im achten Semester des Studiengangs Blasorchesterleitung in der Klasse von Professor Maurice Hamers am Leopold-Mozart-Zentrum der Uni Augsburg. Seit 2000 – und damit deutschlandweit am längsten – gibt es in der schwäbischen Metropole die Professur für Blasorchesterleitung.
„Das hier hat aber nichts mit Bierzeltmusik zu tun“, sagt Wachter zu ihren Proben und dem anstehenden Konzert. Jene Literatur, die sie mit der Kapelle seit Januar akribisch einstudiert, ist höchst anspruchsvoll – und auch für die Musiker eine große Herausforderung. Die Musikkapelle Eglofs spielt nach Wachters Einschätzung „gute Oberstufe“. Die Literatur ist allerdings Höchststufe plus: „Das heißt, jeder spielt eine Stufe über dem, was er eigentlich kann.“ Überzeugt ist Wachter, dass auch die Eglofser Musikanten an ihrem Examenskonzert wachsen, sich entwickeln: „Das Ganze ist ein Prozess, aus dem alle lernen konnten und noch Jahre davon ernten werden.“
Zur Aufführung eines einstudierten Konzertprogrammes kommt eine 30-minütige Lehrprobe mit einem unbekannten Musikstück. Die Musikkapelle Eglofs wird von Kommilitonen Wachters und befreundeten Musikern unterstützt, sodass am Ende ein sinfonisches Blasorchester mit 95 Musikern entsteht. Bereits im Vorfeld und zu Beginn zu leisten war die sogenannte Transkription – ein Werk mit über 800.000 Noten, das es zwar für Sinfonie-, aber bislang nicht für Blasorchester gab, musste umgeschrieben werden. Die Ergebnisverkündung ist öffentlich und im direkten Anschluss an das Examenskonzert.
Das Studium, sagt Wachter, war streng: „Ich hatte einen sehr, sehr guten Professor, der aber auch viel verlangt.“ Wichtig sei es, führen zu können, nicht gleich beim ersten Gegenwind umzuknicken: „Generell haben es, das sagt auch mein Professor, Frauen schwerer.“ In ihrem Jahrgang war sie auch die einzige.
Dass am Samstag alle Augen auf sie gerichtet sein werden, ist Carina Wachter, die nach eigener Aussage eigentlich nicht gerne im Mittelpunkt steht, bewusst und wird bei ihr vermutlich auch für Aufregung sorgen: „Damit heißt es umzugehen.“ Ihr persönliches Motto heißt: „Durch Kompetenz begeistern.“ Damit brachte sie auch die Eglofser Musikanten schon auf ihre Seite, mit denen sie nach der langen Coronapause nun auch ihr erstes Hallenkonzert spielt.
War sie denn selbst schon von klein auf ein musikalisches Genie und mit entsprechenden Genen versehen? Carina Wachter schüttelt lachend den Kopf: „Ganz und gar nicht. Meine Eltern spielen noch nicht mal ein Instrument.“ Ja, der Großvater sei 50 Jahre lang Organist gewesen – und sie selbst begann mit sechs Jahren mit der Blockflöte. Eine „klassische Instrumentenvorstellung“ brachte sie dann mit acht Jahren in Kirchdorf bei Bad Wörishofen zum Waldhorn – keine „Liebe auf den ersten Blick“ übrigens: „Flöte oder Klarinette durfte ich nicht, weil das schon zu viele spielten. Und auch Trompete wäre mir lieber gewesen als Waldhorn.“
An der Musikschule Bad Wörishofen genoss sie dennoch ihre Ausbildung, gewann später auch Preise bei Jugend musiziert. Am Dirigieren fand Carina Wachter früh Gefallen. Schon als 17-Jährige heuerte sie bei der Jugendkapelle Wertachtal in Türkheim und ein Jahr später in Holzgünz an. Neben ihrer Ausbildung zur Steuerfachangestellten machte sie als 18-Jährige ihren ersten Dirigentenkurs, zwei Jahre später dann den Dirigentenkurs mit staatlicher Anerkennung.
Bei der Stadtkapelle Memmingen, wo Carina Wachter am Horn aushalf, lernte sie Johnny Ekkelboom kennen – ihren Dirigenten-Vorgänger in Eglofs: „Er meinte, das wäre etwas für mich, da in Eglofs.“ 2018 stieg Carina Wachter als Hornistin in Eglofs ein, im Mai 2019 wurde der Taktstock von Ekkelboom an sie übergeben: „Der Vorstand wusste schon damals, worauf es hinausläuft.“
Als 21-Jährige hatte sich Wachter an der Berufsfachschule für Musik in Krumbach/Schwaben, Hauptfach Horn, Dirigieren und Chorleitung eingeschrieben, die ihr die Befähigung einbrachte, an Musikschulen zu arbeiten: „Dann habe ich das Studium in Augsburg draufgepackt.“ Mit dem Bachelor will sich Wachter nicht zufriedengeben: „Ich habe vor, auch noch den Master zu machen und dann ein Engagement in der Profiwelt zu bekommen.“
Die Eglofser brauchen sich aber vorerst nicht zu sorgen, dass sie abwandert. Auch ihre beiden anderen Musikkapellen im Unterallgäu will sie weiterbetreuen und ihr Engagement an der Städtischen Musikschule Bad Wörishofen sowie der Musikschule Unterallgäu Mitte aufrechterhalten. Und wenn dann Mitte Juli auch noch die Prüfung im Horn vorüber ist, bleibt vielleicht auch wieder ein bisschen Zeit für Wachters Hobby – die Berge.
Öffentlich ist auch die kostenfreie Generalprobe am Freitag, 30. Juni, ebenfalls in der Turnhalle Eglofs und um 19.30 Uhr.
Quelle: Weber, Susanne: Konzert vor Publikum als Examen, in: Schwäbische Zeitung, 29.06.2023, S. 14.